Die neue Verantwortung
Das ging verdammt schnell! Als überzeugte Kriegsdienstverweigerer müssen wir uns an die neue Position der Bundesrepublik Deutschland erstmal gewöhnen.
Also klar: Der offensichtlich von langer Hand geplante, verlogene Angriffskrieg Putins und seinen Gefolgsleuten in der Ukraine und das damit verbundene Leid der ukrainischen Bevölkerung ist nicht zu ertragen und erst recht nicht zu dulden.
Keine Frage. Aber der „Wandel durch Handel“ ist sicher nicht erst seit gestern moralisch gescheitert (wurde aber über viele Jahre sehr gerne von uns allen verdrängt dieser Sachverhalt!)
Ob eine top-ausgestattet Bundeswehr die aktuelle Situation gerade für irgendwen leichter gemacht hätte, wagen wir allerdings stark zu bezweifeln. Abschreckung hin, Abschreckung her!
Und der ständige Wechsel zwischen großzügiger, fast MMT-mäßiger Geldgeberlaune (Scholz’ Corona-Bazooka, Linders Geld für echte Bazookas) und schwarzer Null (Gesundheits-, Bildungs- und Sozialpolitik, Klimapolitik etc.) empfinden wir schon als extrem fragwürdig. Es kann ja nicht immer erst dann Geld locker gemacht werden, wenn schon wieder die Hütte brennt! Was im Hinblick auf den aktuellen Klimabericht vom Weltklimarat (IPCC) eh viel zu spät sein dürfte.
Der tatsächliche Wille zur politischen Gestaltung scheint also maßgeblich über die Finanzpolitik des Moments zu entscheiden. Das ist sicher kein Staatsgeheimnis, aber wird in jüngster Zeit immer deutlicher. Ja, bitte Kinder: Lüftet doch bitte nochmal das Klassenzimmer!
Wir dürfen trotzdem weiter in Sicherheit Pop-Musik verkaufen. Und es hat sich selten so überflüssig angefühlt wie jetzt. „Es ist wichtig, dass wir weiter kicken!“, sagte der geschätzte Freiburger Fußball-Trainer Christian Streich die Woche zum laufenden DFB-Pokal.
Nun, das haben wir während der Pandemie ja auch schon so gemacht, also sprichwörtlich weitergekickt, aber Moment mal: Die Pandemie ist ja noch lange nicht vorbei!
Hatten inzwischen selbst ein paar Corona-Fälle in den eigenen Reihen und können vor Leichtsinnigkeit wirklich nur warnen: Also „Leichter Verlauf“ klingt tatsächlich viel leichter, als er tatsächlich ist. Zumindest in unserem Alter.
Kommen wir mit einer extrem holprigen Überleitung auf einem Weg voller unbequemer Schlagköcher zum Panzer der Privathaushalte: Dem SUV. Er ist die verkehrspolitische Manifestation des Individualverkehrs und zeigt, wo die Reise aktuell hingeht. Ja, wie gut das es gerade eine satte 6000.–Euro-Prämie vom Staat gibt, wenn wir uns einen Elektro-SUV zulegen. Also bei den Spritpreisen… Wobei: Erst gestern prognostizierte Spiegel-Online einen Lieferstau in der deutschen Automobilproduktion wegen fehlender Kabellieferungen aus der Ukraine.
SUV
Nun, „die älteste Boyband, die keiner kennt“ (laut.de) mit Namen Der Mann hat ihre neue Single darum verantwortungsbewusst SUV genannt. Der Song spielt inmitten all des Wahnsinns zwischen Lobby-Arbeit, Korruption, verfehlten Klimazielen, gegenseitigen Schuldzuweisungen, Fake-News und den ganzen unerträglichen selbsternannten Expert*innen von Bild.de bis ins Feuilleton von Die Welt hinein.
„Hier kommt schon wieder was vom Mann, der seinen Rand nicht halten kann. Wir wollten auch mal was zu allem sagen, doch wo fangen wir bloß an..?“, fragen Der Mann zu einer Art Fear-Of-Music-Afrobeat-Wave-Funk und halten dann doch lieber den Rand, um am Ende schnell noch ein beliebtes Gerücht zu kolportieren, um die eigene Inkonsequenz zu kaschieren. Spoiler: Nein, die Mehrzahl aller Grünen-Wähler*innen fährt tatsächlich keinen SUV! Die meisten SUV Fahrer*innen finden sich statistisch unter den Koalitionsfreund*innen der FDP.
Ja, wie passend, dass unsere aktuelle Regierung „Die Ampel“ genannt wird. Hup, Hup!
Das Video ist übrigens von Der-Mann-SUV Ramin Bijan höchstpersönlich kreiert.
Dem schnellsten Autofahrer aus dem Iran.
Riecht Blumig!
Von den Staatsakt-Seniors zum hoffnungsvollen Nachwuchs: Bereits am letzten Freitag erschien das Album Rolfie lebt von Rolf Blumig. Ein unfassliches Psych- & Mathrock-Meisterwerk mit Schlag-Hose und Funk-Plateau-Schuhen.
Puh! Erst durfte der junge Rolfie zwei Jahre lang wegen der Pandemie auf diese VÖ warten und nun grätscht er mitten hinein in diese pandemische wie kriegerische Zeit mit seiner Veröffentlichung… Für uns war es so leider auch nicht vorher zusehen!
Hier trotzdem eine hervorragende Liveaufnahme aus den Raytrack-Sessions des Songs Walter, der uns in allerbester Captain Beefheart-Manier den Wahnsinn der Menschheit vorführt. Weggeballerter Gehirne inklusive:
TAU5end gute Sounds!
Vom der menschlichen Hybris ins heilsame Chaos. Denn im Zentrum von alledem hier steht eben keine Ordnung sondern ein großer kosmischer Palawatsch. Ja, klar, und wenn nur 2 Menschen eine unterschiedliche Idee von Ordnung haben um das Chaos zu kontrollieren, dann kommt es auch schon zum Streit. Territoriale Fragen inklusive.
Dass sich mehrere Individuen aber auch gemeinsam ins Ungewisse hinein stürzen können, zeigt uns das Kölner/Berliner Quintett TAU5.
Klar, auch hier gibt es eine gewisse Ordnung im Aufbau, es gibt komponierte Teile und Absprachen, aber die gibt es vor allem deshalb, um es immer wieder neu aufzulösen und die Schönheit der Unordnung zu Klingen zu bringen.
Sicher ist das hier nichts für den Supermarkt um die Ecke oder die Krankenversicherungs-Werbung im ZDF, aber als Kunst allein in diesen Zeiten ein lebenswichtiger Re-Minder:
Mein Ssschatzzz!
Nochmal zurück zu Rolf Blumig. Der spricht mit Maurice Summen in der neuen Podcast-Folge Disposition über den Sinn und Unsinn von Kunstfiguren, über Bowie und Rolfie, über Kapitalismus, Resonanzräume und notwendiges Feedback.
Ein exklusives Gespräch, zu dem wir Sie an dieser Stelle herzlich einladen wollen.
Wer möchte, kann sich übrigens hier unsere Playlist der in den Podcasts erwähnten Songs anhören:
Abschließend noch ein Link mit wertvollen Informationen für alle, die sich gerade wie wir auch fragen, wie wir den Menschen in der Ukraine auf humanitärem Wege nicht irgendwie doch helfen können:
https://www.lphr.org/ukraine-hilfe/
Wünscht sich Frieden,
Euer: Staatsakt.
Reverend Dabeler singt abschließend für uns alle Down by the riverside.
Ja, ain’t gonna study war no more: