Frauen und Musik
„Frauen und Musik machen das schönste Fest kaputt!“
„Deutschland im Winter
Am Tresen der Chauvinist
Nichts dazugelernt“
Immer wenn ich an Christiane Rösinger denke, erinnere ich unsere erste Begegnung. Wir hatten uns im Sommer 2008 verabredet um gemeinsam nach Hamburg zu fahren.
Andreas Spechtl war auch mit der Partie.
Wir beide ohne Führerschein.
Frau Rösinger am Steuer.
Aber bevor wir endlich im Auto saßen, gab es ein tolles Verabredungsmissverständnis für Wortverliebte.
Ich wartete im Lokal „Entweder Oder“ in der Oderbergerstraße in Berlin. Aber weit und breit keine Rösinger und kein Spechtl in Sicht. Nach 30 Minuten Wartezeit ein besorgtes Telefonat. „Wo steckt Ihr denn?“, „Ja, wo steckst Du denn?“ „Ja, ich bin hier!“, „Ja, wir auch!“, „Nur wo?“…
Ratlosigkeit auf beiden Seiten.
„Also wir sitzen hier seit einer halben Stunde im Eingangsbereich“, „Ja, ich auch“.
Noch verwirrender.
„Also um sicher zu gehen, dass wir im gleichen Lokal sitzen: ich warte wie verabredet im „Entweder Oder“. „Was?! Aber wir hatten uns doch im „Sowohl als auch“ verabredet!“, „In der Kollwitzstraße!“
Großes Gelächter.
Bis heute ist übrigens ungeklärt, wer sich damals geirrt hat.
Wie groß war ein Jahr später die Freude, das Songs Of L. And Hate, das erste Rösinger-Solo-Album so gut bei den Leuten ankam.
Rösingers erste Band die Lassie Singers hatte ich als junger Teenager im Münsterland tatsächlich über den Soundtrack von Manta Der Film kennengelernt. Mein jüngerer Bruder spielte den Song Falsche Gedanken damals rauf und runter.
Musiker und Musikerinnen müssen schon etwas Besonderes schaffen, um meinen Bruder zu begeistern. Wobei, In the army now von Status Quo hat er auch immer rauf und runter gespielt…
Naja, in einer gerechten Welt würden die Lassie Singers heute mit der gleichen Selbstverständlichkeit rauf und runtergespielt werden wie Status Quo, aber wir alle kennen die Welt in der wir uns bewegen: Weiß, männlich, heterosexuell. Ein bisschen dümmlich, by the way. „Frauen und Musik machen das schönste Fest kaputt“, wie manche Männer im Westfalenland immer zu sagen pflegen.
Ja, darauf eine Herrengedeck.
Und ein Prosit darauf, dass diese Gattung eines Tages aussterben möge. In the army oder sonst wo…
Prekär in der BRD2
Heute erscheint endlich das Folgealbum
Lieder Ohne Leiden, wieder von Andreas Spechtl co-komponiert und geschmackvoll instrumentiert. Und auch wenn Christiane Rösinger sich mittlerweile lieber den „niederen“ Tätigkeiten widmet („Lob der stumpfen Arbeit“), gibt es sicher niemanden in dieser Sprache, der sich dem Themenkomplex „Frau über 50, unverheiratet, prekär in der BRD2“ dermaßen poetisch, ehrlich und lakonisch nähert wie die alte Lassie Sängerin.
Wer die Hoffnung auf eine Besserung in der (Pop)Kultur in Deutschland also noch nicht ganz aufgegeben hat (schwer genug!) der möge sich dieses Werk
▶︎auf der Stelle zulegen.
Ein preußischer Kaufbefehl!
Relief
Als Sneak-Preview auf den März hier abschließend noch das tolle Stück Relief von mESMO.
Leider überhaupt nicht selbsterklärend.
Holen wir aber in Bälde nach. Sowohl als auch.
Eure: Staatsakt.
PS: Wo wir gerade über die fatalen Folgen von Chauvinismus sprechen:
https://www.change.org/p/free-welt-correspondent-deniz-yücel?source_location=petition_nav